Warum Metal Gear Solid V: The Phantom Pain kein guter MGS Teil ist

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Was habe ich mich auf METAL GEAR SOLID V: THE PHANTOM PAIN gefreut! Viele Stunden sind in den heiß ersehnten neuen MGS Teil geflossen. Ich habe es wortwörtlich gesuchtet und werde auch noch weiter in Afghanistan und Afrika mit Venom Snake umherziehen und meinen Spaß haben. Trotz allem konnte sich die ganz große Begeisterung nach dem letzten Kapitel meiner absoluten Lieblingssaga in der Videospielwelt leider nicht einstellen. Doch warum werde ich nicht so ganz warm mit diesem Teil?

Ein Erklärungsversuch

The Phantom Pain ist bei weitem kein schlechtes Spiel. Konami hat ganze Arbeit geleistet. Die FOX Engine überzeugt mich auf ganzer Linie, die Grafik sieht großartig aus, ich hatte nie Performanceprobleme, die Steuerung ist, auch mit Maus und Tastatur, gelungen, der Sound stimmig. Das Gameplay hat mich angefixt, ich habe über 150 Stunden mit Venom Snake verbracht, dabei massig Fahrzeuge und Rekruten gesammelt, jede Mission mit S-Rang absolviert und alle Missionsziele erfüllt, habe alle Tiere gefangen, meine Motherbase und die erste FOB ausgebaut und viele Basen und Outposts teils auch einfach zum Spaß infiltriert.

Ich sollte an dieser Stelle vielleicht erwähnen, dass ich ein absolut begeisterter Stealth Fan bin. Gut gemachte Vertreter dieses Genres fand ich schon immer unwiderstehlich. Ich bin beim Spielen solcher Spiele aber auch Perfektionist. Das bedeutet ich wende keine tödliche Gewalt an, wenn es anders geht, möchte prinzipiell immer unentdeckt bleiben und bringe auch entsprechend Geduld mit, wenn es denn sein muss.

Die Story (spoilerfrei)

Man muss vorab wissen, dass Hideo Kojima, der geistige Vater der MGS Saga, Konami noch während der Entwicklung von MGS V: The Phantom Pain verlassen hat. Das allein zeigt sich leider schon an vielen Stellen im Spiel. So ist beispielsweise die Haupthandlung eingeteilt in zwei Kapitel, wobei Kapitel 1 aus 31 Missionen besteht und Kapitel 2 gerade mal 19 Missionen ausmacht (hierzu später mehr).

Jeder bisherige Metal Gear Solid Teil hatte eine komplexe Handlung. Es wurden nie alle Fragen beantwortet, manche Details der großartigen Story ließ man bewusst als Interpretationsspielplatz für die Fans offen. Aber es gab immer irgendein Ziel, etwas, worauf man in der Haut von Solid Snake, Raiden, Naked Snake / Big Boss oder Old Snake hingearbeitet hat. Eingebettet in den Spielverlauf waren jede Menge Zwischensequenzen und Dialoge, die die unfassbar umfangreiche Story erzählten, mit allem, was sich das anspruchsvolle Spielerherz nur wünschen könnte: Helden, Emotionen, Dramen, Intrigen und Action ohne Ende. Das alles wurde untermalt von einem der großartigsten Soundtracks, die eine Videospielreihe je hervor gebracht hat und hat mich so über die Jahre mehrfach tief bewegt.

Dieser Aspekt kommt leider in The Phantom Pain wesentlich zu kurz. Ich persönlich habe den Eindruck, dass die Story so vor sich hin plätschert. Es gibt wenig große Emotionen, die Handlung bietet kaum überraschende Wendungen und die Action findet meist auch eher während des Gameplays statt. Von Anfang an ist ziemlich klar, worauf die Story hinaus läuft. Das allein ist prinzipiell noch nicht unbedingt schlecht, aber dann muss zwischen Anfang und Ende genug passieren, sodass man die Charaktere in sein Herz schließt, sich mit ihnen identifizieren kann. Es muss unerwartete Wendungen geben, die einen überraschen, mit Resultaten, die einen mitreißen. Und nicht zuletzt muss das ganze in gewohnt bombastischer Art erzählt werden. Diese typischen MGS Eigenschaften lässt The Phantom Pain leider vermissen.

Nehmen wir beispielsweise die unzähligen, teils optionalen, Codec-Gespräche aus früheren Teilen. Ein beachtlicher Teil der Geschichte wurde durch sie erzählt und einen ebenfalls großen Teil konnte man, wenn man denn wollte, zusätzlich erfahren, wenn man zur richtigen Zeit oder an den richtigen Orten seine Gesprächspartner angerufen hat. Das gehört der Vergangenheit an. Nun gibt es die für meinen Geschmack relativ leblosen Kassetten, auf denen meist Verhöre mit Schlüsselfiguren und teilweise auch ganz lapidare Gespräche zu hören sind. Das an sich wäre vielleicht keine schlechte Idee gewesen, würden damit nicht die Codec Gespräche ersetzt, die meist konkreten Bezug zum aktuellen Spielgeschehen hatten und somit ein Bestandteil dessen waren, was gerade auf dem Bildschirm passierte. Die Kassetten hingegen sind insofern tot, als dass sie nichts zu einer spezifischen Spielsituation sagen. Wenn man gelangweilt in seinem Helikopter sitzt und noch keine Lust auf die nächste Mission oder Nebenmission hat, kann man sie sich anhören, ja. Man muss aber auch nicht. Ich als Spieler habe mich dadurch zu wenig in eine lebendige Handlung integriert gefühlt. Zusätzlich dazu geht leider auch eine Menge Witz dabei verloren, denn oft enthielten gerade die optionalen Codec Gespräche eine Menge Humor.

Außerdem, und darauf werde ich später noch einmal etwas eingehen, fehlt es dem Spiel in meinen Augen an Charakteren. Es gibt einfach zu wenige Figuren, und die vorhandenen werden allesamt viel zu oberflächlich behandelt. Aber gerade die Figuren haben MGS immer ausgemacht. Psycho Mantis, Sniper Wolf, Olga, Fortune, Vamp, Ocelot - das waren Charaktere, denen der Spieler im Handlungsverlauft begegnete, über die er im Laufe der Story sehr viel erfahren hat. Das waren Charaktere mit einer Seele, mit einer Vergangenheit und Zielen, mit Idealen, einem Willen und Gefühlen. Solche Bosse suchte ich in The Phantom Pain leider vergeblich. Es gibt einen Zwischenboss, der vielleicht ein wenig in diese Richtung geht, allerdings erfährt man über diesen nicht allzu viel, sodass er ziemlich eindimensional bleibt. Quiet und Code Talker werden etwas mehr beleuchtet und auch wenn ich ihre Rollen gut und interessant finde, reißt es das für mich leider einfach nicht wieder raus.

Das Gameplay und die Open World

Ich hatte vor dem Release ehrlich gesagt starke Zweifel daran, ob sich die MGS Saga mit einer Open World verträgt. Doch hier wurde ich positiv überrascht! Das Gameplay macht einfach Spaß. Es ist toll, sich nun an Basen und Außenposten von beliebigen Seiten anschleichen zu können und mit dem Fernglas Schwachstellen in der gegnerischen Bewachung zu suchen. Es bereitet mir riesige Freude, Pläne zu schmieden, wie man die vielen Wachen überwindet, zu welchem Zeitpunkt man welche Wache wie am besten ausschalten kann ohne entdeckt zu werden und welchen Weg man zu seinem Ziel nimmt. All das funktioniert sehr gut und macht das Gameplay so für mich zu einem der besten unter den Stealthspielen.

Aber all das hätte man auch ohne Open World erreichen können. Und so offen die Welt auch ist, im Endeffekt läuft das Schema immer gleich ab. In der Nähe des Missionsgebiets aus dem Helikopter springen, Mission erledigen, zurück in den Helikopter. So schließt sich ein Kreis, der auch ohne Open World funktioniert hätte. Das wäre meiner Meinung nach auch die bessere Variante gewesen, denn in der Welt von The Phantom Pain gibt es leider abgesehen von den Missionen und Nebenmissionen annähernd nichts zu entdecken oder zu tun. Zwischen den Basen liegt einfach jede Menge totes Land, zugegebenermaßen stellenweise sehr ansehnlich, in dem einem ab und zu mal ein Tier oder eine zwei Mann starke Patrouille über den Weg läuft. Über die Straßen der zwei Gebiete sind einige kleine Außenposten verteilt. Hier gibt es selten wirklich was zu holen und obwohl es relativ einfach ist, diese zu infiltrieren, macht man das nicht mehr als ein paar mal bevor man für den Rest der Spieldauer an solchen Außenposten einfach vorbei rennt oder reitet. Es lohnt einfach nicht.

Das Missionsdesign

Einer der größten Schwachpunkte, die ich an The Phantom Pain finde, ist das Missionsdesign. Dass ich dieses Wort überhaupt im Zusammenhang mit MGS schreiben muss, macht mich eigentlich schon traurig. Denn bisher war jeder Teil mehr oder weniger linear gehalten, sodass es soetwas wie Missionen einfach nicht gab. Es gab eine durchgehende Handlung, die man verfolgte. Leider hat man sich hier - wohl auch als Symptom der Open World - für die Einteilung der Handlung in Missionen entschieden. Das allein gefällt mir persönlich schon nicht so gut, könnte aber trotzdem gut funktionieren. Leider tut es das aber nur selten. Es fehlt insgesamt einfach oft an einem wirklich erkennbaren roten Faden, der sich durch die Story zieht. Die Charaktere, die man im Zuge einiger Missionen befreit und rekrutiert, sind häufig relativ leere Hüllen, von denen man nichts bis sehr wenig erfährt, mit denen man keinerlei Interaktion eingeht, außer dass man sie auf seinem Rücken zum Hubschrauber schleppt oder direkt per Fulton-Device abtransportiert. Und dann auf nimmer wieder sehen! Fortan ist dieser Charakter Nummer 815 unter den eigenen Soldaten. Man sieht ihn nie wieder, geschweige denn wird er in größerem Umfang vorgestellt, seine Geschichte beleuchtet, oder trägt er in irgendeiner signifikanten Weise zur Handlung bei. Es gibt natürlich Ausnahmen von dieser Regel, aber die sind rar gesät. Dem Spiel fehlt es einfach an Charakteren.

Aber nun zurück zum Missionsdesign. Abgesehen von den verbindlichen Missionszielen gibt es bei allen Missionen noch weitere, optionale Missionsziele. Man kann die Missionen auch beliebig häufig wiederholen, was nebenbei gesagt auch eine ganze Menge Atmosphäre kaputt macht. Und leider muss man das häufig auch, wenn man alle optionalen Missionsziele erledigen möchte, weil sich diese teilweise aus verschiedensten Gründen gegenseitig ausschließen oder es einfach nicht praktikabel ist, Missionsziel A und Missionsziel B in einem "Run" zu erledigen. Hinzu kommt, dass keins dieser optionalen Missionsziele eine Relevanz oder Auswirkung auf die Geschichte hat. Ein Beispiel:
Während einer Mission sollt ihr einen Gefangenen aus einer Basis befreien. Dort gibt es 3 weitere Gefangene, die ihr als optionales Missionsziel ebenfalls befreien könnt. Abgesehen davon, dass das natürlich der heldenhafte Weg ist, gibt es dafür aber keine Begründung. Die optionalen Gefangenen werden einfach zu Rekruten in eurer Privatarmee, sie liefern keine zusätzlichen Informationen, haben keine Relevanz in der Geschichte und bringen euch auch sonst nichts außer den Level einer eurer Motherbase Einheiten zu erhöhen.

Es bleibt aber nicht bei solchen, noch halbwegs verständlichen, optionalen Missionszielen. Es gibt auch die Variante, bei der völlig offensichtlich ist, dass es sich dabei um eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für den Spieler handelt. So habt ihr beispielsweise bei einer der Missionen am Anfang etwas in einer Basis in der Mitte der Karte zu erledigen, sollt aber für eines der optionalen Missionsziele einen Offizier aus einem großen, schwer bewachten Stützpunkt am Rand der Karte befreien. Daraus hätte man auch einfach eine Nebenmission machen können.
Hinzu kommen dann, wie bereits erwähnt, Missionsziele, die sich gegenseitig ausschließen, sodass man dazu gezwungen ist, dieselbe Mission mehrfach zu spielen. Und zwar teilweise 3, 4 mal. Das nervt und es ist noch schlimmer angesichts der Tatsache, dass all diese Ziele absolut keinen Beitrag zur Geschichte leisten. Man tut das also, weil man nicht genug von der Mission kriegen kann, was ab und zu tatsächlich vorkommt, oder weil man eben das Achievement für alle Missionsziele haben will. End of story.

Richtig ätzend wird es dann, wenn man erstmal in Kapitel 2 angekommen ist und die bisherigen Missionen bereits häufig gespielt hat, um eben alle Ziele zu erledigen. Spätestens hier wird nämlich völlig offensichtlich, welche Auswirkungen Kojimas Abwesenheit bei der restlichen Entwicklung von The Phantom Pain hatte. In Kapitel 2 kommen auf sieben Missionen, die die Geschichte voran treiben, insgesamt zwölf Wiederholungen voriger Missionen. An diesem Punkt fängt dann der wirklich brutale Zusammenbruch der Atmosphäre an. Missionen, die zuvor einen erkennbaren Zusammenhang mit der Story hatten, werden nun einfach nochmal - entschuldigt das Wort - verwurstet und dem Spieler vorgesetzt, ganz ohne Bezug zu den aktuellen Geschehnissen. Unter verschiedenen erschwerten Bedingungen muss sich der Spieler so also durch zwölf Missionen quälen, die er zum einen schon gespielt hat (eventuell bereits mehrfach) und die zum anderen nichts mit dem aktuellen Stand der Geschichte zu tun haben. Und, ihr habt richtig geraten, natürlich haben diese Missionen wieder dieselben Missionsziele, sodass ich eine der Missionen ganze 8 mal gespielt habe. Selbst schuld, ja. Aber sowas muss einfach nicht sein.

Mein Fazit

Mir fällt die Härte der Worte, die ich hier geschrieben habe, alles andere als leicht. Schließlich bin ich begeisterter MGS Fan und werde das auch bleiben. METAL GEAR SOLID V: THE PHANTOM PAIN ist kein schlechtes Spiel. In meinen Augen ist es sogar ein ziemlich gelungenes Stealthgame mit Makeln an Story und Open World. Das Gameplay ist erste Sahne, daran gibt es nichts zu rütteln. Es bereitet eine Menge Spaß und bietet für Stealthliebhaber einen riesigen Spielplatz zum Austoben. Sieht man The Phantom Pain unter diesen Voraussetzungen, so ist es ein sehr gutes Spiel.
Betrachtet man es eher mit den Augen eines eingefleischten MGS Fans und legt Wert auf die althergebrachten Qualitäten der Reihe wie epische Zwischensequenzen, massig Dialoge und eine sehr komplexe Story mit Tiefgang, so ist dieser Teil leider eher eine Enttäuschung. Nichtsdestotrotz kann man natürlich auch so seinen Spaß mit Venom Snake haben!

Das alles ist Jammern auf hohem Niveau, aber wir sprechen hier immerhin über einen Teil der Metal Gear Solid Saga. Alles in allem muss ich gestehen, dass ich METAL GEAR SOLID V: THE PHANTOM PAIN nur ungerne an interessierte Freunde und Bekannte empfehle, einfach weil ich es als Durchhänger der gesamten Reihe betrachte und daher die Gefahr sehe, dass Leute, die sich prinzipiell für MGS begeistern könnten, durch diesen stellenweise ziemlich lieblos gestalteten Teil abgeschreckt werden.

Soweit meine Meinung zu Metal Gear Solid V,

Hatelix

Veröffentlicht: 05.11.2015
Bearbeitet: 11.11.2015
Kategorie: Gaming

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